Liebe:r Lesende
Willkommen bei Worte am Waldrand!
Frühmorgens, der Wecker klingelt sich hartnäckig in meine Träume und meldet unmissverständlich: Zeit auf zu stehen! Mein Hirn ist im Gegensatz zum restlichen Körper sofort wach und legt schon mal los. Gedanken wie: „Oh nein, heute ist Dienstag“, „Es wird ein anstrengender Tag“, „Termine bis in den Abend hinein“, „Das schaff ich nicht“ und „Abends werde ich todmüde sein“ machen sich in meinem Kopf breit. Damit sind die ersten 5 Gedanken dieses Tages bereits gedacht. Gemäss Forschung sollen ihnen ungefähr weitere 59’995 folgen. Nun schiessen auch die Hormone Adrenalin und Cortisol aus den Startlöchern und verteilen sich in meinem ganzen Körper. Ich fühle mich erschöpft, gestresst und den Aufgaben dieses Tages alles andere als gewachsen. Und dabei habe ich das Bett noch nicht mal verlassen!
Den Blick starr an die Decke gerichtet, versuche ich diesen unguten Gedanken Einhalt zu gebieten – leider erfolglos. Müde und kraftlos lasse ich die Augenlider wieder zufallen. Da taucht vor meinem inneren Auge das Bild von Peter Pan aus dem Film „Hook“ auf. Peter Pan ist inzwischen erwachsen, hat Familie und einen gutbezahlten Job. Mit dem Erwachsenwerden hat er das Fliegen verlernt. Aber genau das muss er nun wieder können, um seine Kinder aus den Fängen von Käpt’n Hook zu befreien. Doch er weiss nicht mehr wie das geht. Tinkerbell, die Fee und Freundin aus Kindertagen in Nimmerland, verrät es ihm: „Du musst einfach einen guten Gedanken denken- dann kannst du wieder fliegen“. Um in die Lüfte abheben zu können braucht er also einen guten Gedanken. Auf der Suche nach dem selbigen, welche auch einige erfolglose Versuche beinhaltet, die ihm den einen oder anderen blauen Fleck eintragen, hat er ihn – seinen guten Gedanken! Und als er ihn denkt kann er fliegen und seine Kinder retten.
Zum Glück muss ich heute meine Kinder nicht retten, sondern lediglich diesen Tag hinter mich bringen. Was ist nun also mein guter Gedanke von heute? „Heute Abend gönne ich mir ein heisses Bad.“ Tönt nicht schlecht – aber dieser Gedanke lässt mich noch keine spürbaren Höhenflüge vollbringen. Nach „jetzt erst mal Yoga machen“ und weiteren etwas hilflosen Flugversuchen hab ich ihn, meinen guten Gedanken für heute: „Einfach eins nach dem anderen“– so wie Beppo der Strassenkehrer in der Geschichte von Momo. Schritt, Atemzug, Besenstrich, Schritt, Atemzug, Besenstrich.
Dieser Gedanke schüttet spürbar Glückshormone aus und entspannt mich. Ich fühle mich bereits etwas leichter und hoffnungsvoller. Dies scheint offenbar ein wunderbarer Nährboden für weitere gute Gedanken zu sein. Denn nun kommt bereits der Nächste, gefolgt von einem weiteren. Wenn das so weiter geht hat das durchaus Suchtpotenzial! Nun schaff ich es, die Decke zurückzuschlagen und mich erstaunlich beschwingt in die Vertikale zu bringen. Ich fühle mich gut gerüstet und starte mit einem zuversichtlichen „Los geht’s!“ in den Tag.
15 Stunden später liege ich müde, aber auch überaus zufrieden über den Verlauf des Tages im Bett. Dieser hatte nicht weniger Termine- aber der Gedanke, dass ich einfach eins ums andere mache, hat mir in der Tat so was wie Flügel verliehen. Einfach in jedem Moment das tun, was gerade ansteht und immer mal wieder tief durchzuatmen machte mich ruhig und gelassen. Es ist unbestritten, dass meine Gedanken die Macht über meine Hormone und Gefühle haben. Ich aber habe die Wahl, ob es gute oder ungute Gedanken sind! Und ich habe mich entschieden. Ich werde die Macht der Gedanken nutzen und mich weiter im „Gute-Gedanken-Denken“ üben. Ich stelle den Wecker für morgen und lege mir den ersten guten Gedanken für den kommenden Tag zurecht. Auf dass diesem dann weitere 59’999 folgen.
Im Sinne von Peter Pan wünsche ich:
Allzeit guten Flug!
die Waldrandschreiberin