Wer kennt es nicht, dieses man? Man tut das, das kann man nicht, das darf man, man sollte. Es taucht mit beharrlicher Regelmässigkeit in unserem täglichen Wortschatz auf. Aber mal ganz ehrlich, wer oder was ist man wirklich? Auf den ersten Blick scheint es so was wie eine Hoheit zu sein, die vorgibt, was richtig und was falsch ist, was sich gehört und was nicht. Was allgemein getan werden darf und kann und was nicht. Je länger ich darüber nachdenke umso suspekter wird mir dieses man. Es ist so unkonkret und nicht richtig zu fassen, geschweige denn zu beschreiben. Der Blick ins Wörterbuch verrät mir, dass es sich dabei, abgesehen vom englischen Mann, um ein Pronomen handelt. Wikipedia weiss, dass man unter anderem der zwölfte Buchstabe des georgischen Alphabets ist, es als Abkürzung für Mannose herhält, es sich um einen Familienname oder eine Rockband handeln kann oder ein Ort wahlweise an der Elfenbeinküste, im indischen Teil von Kaschmir oder in den USA sein kann. Irgendwie trifft kein Punkt dieser Aufzählung den Nagel auf den Kopf. Darum starte ich nun einen ganz praktischen Versuch. Und zwar anhand eines konkreten Beispiels aus dem Alltag.
Folgender Dialog:
„Das kann man doch nicht tun!“
„Doch, sicher kann man das tun!“
Und was jetzt? Wie weiter? Ende der Fahnenstange. Es steht Aussage gegen Aussage und ein weiterer Dialog ist nicht möglich. Eventuell entbrennt nun ein veritabler Streit, welcher der Dialogführenden Recht hat. Was aber kaum zu beweisen sein wird.
Interessant wird’s nun aber, wenn das man durch ein anderes Pronomen ersetzt wird- und zwar durch das exakt auch aus drei Buchstaben bestehende Wörtchen ich. Der Dialog tönt dann folgendermassen:
„Ich kann das doch nicht tun.“
„Doch, ich kann das tun.“
Nun wird’s spannend. Das Ende der Fahnenstange ist in weite Ferne gerückt. Der eine kann nicht- der andere kann. Was steckt dahinter? Welche Erfahrungen und Einstellungen führen zu einem „ich kann nicht“ und welche zu einem „ich kann“? Es geht nicht mehr um irgendeine graue, unfassbare Eminenz sondern um mich – um dich. Um meine und deine Wertvorstellungen, um meine und deine Ansprüche, um meine und deine Grenzen des Vorstellbaren. An diesem Punkt geht es nun ans Eingemachte. Ich kann mich und meine Meinung nicht mehr hinter einem undefinierbaren Wörtchen verstecken. Hier stehe ich für mich und meine Ansichten gerade. Und das gefällt mir. Da kommt das Individuelle von uns Menschen zum Vorschein. Da wird es so wunderbar vielfältig und verschieden.
Fazit: Meine ganz persönlichen Lebenserfahrungen und Einstellungen prägen meine eigene Vorstellung von diesem man. Es ist anzunehmen, dass es so viele mans wie Menschen auf Erden gibt.
Dann könnte man ja auch einfach darauf verzichten, oder? Ha, eiskalt erwischt. Ich meine natürlich: Ich kann gut darauf verzichten. Denn warum sollte ich diesen sprachlichen Umweg über ein so kleines Wort mit so einem grossen Interpretationsspielraum machen, wenn es doch im Grunde um mich geht, um meine Wertvorstellungen, um das was ich als wichtig erachte? Da scheint es mir einfacher, von Anfang an von mir zu reden.
Was aber tun mit all diesen mans, die zu Abertausenden diesen Planeten bevölkern? Freundlich grüssen und sie an mir vorüberziehen zu lassen, erscheint mir für den ersten Schritt eine friedliche Lösung. Und in einem zweiten Schritt wende ich mich interessiert an mein Gegenüber und fange an, Fragen zu stellen.
Was sind deine Beweggründe?
Was hast du erlebt?
Was hindert dich?
Was ist dir wichtig?
Was brauchst du?
Was meinst du?
Wie geht es dir?
usw.